public 7-8/2020
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INTERVIEW
Im public -Interview zu „ihren“ Regierungsthemen betont Bundesministerin Leonore Gewessler, dass Dinge nicht über den Kopf der Gemeinden hinweg beschlossen werden. „Ich weiß wie es ist, wenn nach dem Kino kein Bus mehr nach Hause geht“, unterstreicht sie die Notwendigkeit des Öffi-Ausbaus. INTERVIEW: ALEXANDRA KELLER Nur gemeinsam
Als einer der organisatorischwie finanziell größten Brocken sticht der Ausbau des öffentlichenNahverkehrs ins Auge.Was sind hier Ihre Ansätze, umden großen Steuerungsnot- wendigkeiten in Ballungsräumen zu begegnen und beispielsweise jene Verkehre, die Stadtgrenzen überschreiten, aufzuwerten? Wir wollen beimVerkehr die notwendige Trendwende bei den CO 2 -Emissionen schaffen. Dafür bedarf es engagierter Umsetzungsprogramme, für die wir nun Schritt für SchrittMaßnahmen entwickeln. Die Ziele sind klar: Verkehr vermeiden, Verkehr verlagern und Ver- kehr verbessern. Dazu gilt es, den Anteil umweltverträglicher Mobilität – Fuß- und Radverkehr, öffentliche Verkehrs- mittel und SharedMobility – deutlich zu steigern und verbleibende Autofahr- ten und Transporte auf emissionsfreie Antriebe umzustellen. Für das Ziel, das Infrastruktur-Angebot auszubauen, gib es die Öffi- und die Regionalverkehrs- milliarde. Mit dem 1-2-3-Ticket, eines meiner Herzensprojekte, wollen wir nochmehr Menschen dazu bringen, in die Öffis umzusteigen. Es geht umum- weltfreundliche, leistbare und bequeme Mobilität für alle in Stadt und Land. BeimÖPNV in ländlichen Räumen werden imRegierungsprogramm etwa die „last mile“- oderMikro-ÖV- Lösungen angesprochen.Wiewerden diese Entwicklungen von Bundes- seite unterstützt bzw. angekickt? Ich komme selbst vom Land, aus einem kleinen Ort mit 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in der Steiermark. Ich weiß wie es ist, wenn nach demKino kein Bus mehr nach Hause geht. Unser Ziel ist es, dass jeder Ortskern – auch amWochenende oder in den Abend-
public: Klimaschutz stellt ein zentra- les Thema imRegierungsprogramm dar. Die österreichischen Städte und Gemeinden spielen dabei eine wich- tige Rolle. Wie werden die kommu- nalen Akteure eingebunden? Gibt es in demZusammenhang etwa ein alle Gebietskörperschaften berücksich- tigendes Konzept zur Steuerung des großenUmbaus? Leonore Gewessler: Unser Ziel ist ambitioniert: Österreich soll bis 2040 klimaneutral sein. Wir möchten die Chancen, die die Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise bieten, möglichst umfangreich nutzen. Wir werden von Bundesseite natürlich nicht über den Kopf der Gemeinden hin- weg Dinge beschließen, die dann auf Gemeindeebene nicht funktionieren. Wir fördern daher auch Initiativen wie die e5 Gemeinden, das Klimabündnis, Klima- und Energie Modellregionen und die Klimaanpassungsregionen. Wie ein konkreter Automatismus der Zusammenarbeit aussehen kann, daran arbeiten wir. Klar ist, dass Gemeinden wichtige Partner für uns sind und wir schon bestehende Best-Practise- Beispiele fördern und verbreitern. Denn nur gemeinsam können ambitionierte Ziele umgesetzt werden. Spannend in diesem Zusammenhang sind auch die ganzheitlichen und individuell zuge- schnittenen Konzepte „energieeffizien- te Stadt“ und „energieeffizientes Dorf“. Städtische und ländliche Regionen benötigen unterschiedliche Konzepte für die Energiewende: Während im städtischen Bereich mit einer hohen Bevölkerungsdichte beispielsweise eine leitungsgebundene Wärmeversorgung wirtschaftlich ist, können in ländlichen Regionen dezentral verfügbare erneu- erbare Energieträger eingesetzt werden.
stunden – öffentlich erreichbar ist. Ziel ist ein stündlicher Takt. Die Bahn bildet dabei das starke Rückgrat der Öffis, bis in die Ortschaften sollen verschiedene Formen von Öffis führen: von Bussen bis hin zuMikro-ÖV-Lösungen wie Sammeltaxis. Bei der „last mile“, also dem letzten Kilometer zumZiel, wird künftig auch die E-Mobilität eine noch stärkere Rolle spielen, nicht nur imPkw-Bereich sondern auch im öffentlichen Verkehr. Zusätzlich soll das Kombinieren ver- schiedener Verkehrsmittel attraktiver werden: Etwa über Plattformen, die das Umsteigen von einemVerkehrsmittel auf‘s andere erleichtern, oder über automatisierte Shuttles als Zubringer zur Bahn. Aktive Mobilität, also das Radfahren oder Zu-Fuß-Gehen, ist eine weitere Verkehrssäule, die wir anteilig steigern wollen. Schon jetzt ersetzen E-Bikes für kürzere Strecken das Auto. Das nützt der Umwelt und der Gesund- heit. Besonders Gemeinden können im Radverkehr viel bewirken, vor allem durch kurzeWege und ein dichtes Radverkehrsnetz oder die Bewerbung des Radfahrens. Bei der Bund-Länder Motivationskampagne „Österreich radelt“ waren 2019 bereits mehr als 400 Gemeinden dabei. Natürlich hoffe ich, dass es dieses Jahr nochmehr werden. Welche Schwerpunkte werden bei der Konkretisierung der Nahver- kehrsmilliarde und der Regionalver- kehrsmilliarde gesetzt?Wie sollen dieseMittel verteilt werden? Wir haben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilte Verantwort- lichkeiten – wir schaffen auf Bundes- ebene die Basis, wir finanzieren die Bahndienstleistung als Rückgrat der öffentlichen Mobilität, aber es müssen
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