public 7-8/2020

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Papier ist geduldig Ambitionierte Ziele Im aktuellen public -Rundruf wird den Klimaschutz-Punkten im türkis-grünen Regierungsprogramm auf den Zahn gefühlt. Den großen Zielenmüssen viele kleine Schritte folgen. Damit das Papier ungeduldig wird. VON ALEXANDRA KELLER Mitja Kobal/Greenpeace Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS „Das Regierungsprogramm könnte theoretisch ein Riesenschritt für den Klima- und Umweltschutz in Österreich sein: Sowohl die geplan- te Klimaneutralität Österreichs bis 2040 als auch das schrittweise Auslaufen von Öl-, Kohle- und Gas- Heizungen in der Raumwärme sind lange geforderte Meilensteine. Klar ist aber auch: Papier ist geduldig. Es braucht massive Investitionen und Anstrengungen, umdie geplanten Ziele Realität werden zu lassen. Zusätzlich werden aktuell durch Konjunkturpakete hohe Investitionssummen ausgeschüttet. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese bereits den Klimazielen des Regierungsprogramms zugute- kommen. Positiv ist imRegierungsprogrammdas Ziel zu bewerten, eine Million Dächer mit Photovoltaik auszustatten und die erneuerbaren Energienmit insgesamt 27 TWh bis 2030massiv auszubauen sowie die Einführung des '1-2-3-Ös- terreich-Tickets'. Klar, zu den großen Pluspunkten zählen auch verstärkte Investitionen in den Nah- und Regionalver- kehr. Aus ökologischer Sicht ist es hingegen inakzeptabel, dass große Teile einer ökosozialen Steuerreform in eine Taskforce ausgelagert und erst ab dem Jahr 2022 eingeführt werden sollen, da ohne sie die Klimaneutralität bis 2040 nicht zu erreichen ist. Arbeit steuerlich zu entlasten und gleichzei- tig klimaschädliches Verhalten zu verteuern, ist der Schlüssel, umÖsterreich langfristig auf Klimakurs zu bringen.“ Jasmin Duregger, Greenpeace Mutige Mikro-ÖV-Lösungen „Im Bereich Klimaschutz hat sich die Regierung ambitionierte Ziele gesetzt, etwa im Bereich Verkehr, Biodiversität oder Naturschutz. Wir unterstützen das ambitio- nierte Ziel, 2040 bereits CO 2 - Neutralität zu erreichen. Wie genau die Regierung diesen Weg erreichen und finanzieren will, ist allerdings unklar. Auch das geplante 1-2-3 Öffi-Ticket wurde im Budget noch nicht beschlossen. Vor allem durch die Voraussetzungen der Corona-Pandemie braucht es jetzt das größte Investitions- paket der zweiten Republik, wo wir durch thermische Sa- nierung, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und erneuer- barer Energien Arbeitsplätze geschaffen werden. Wichtig ist, durch den Ausbau des ÖPNV bzw. des Mikro-ÖV den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und die Mobilität von Personengruppen zu steigern, die zurzeit einen schweren Zugang haben. Über mutige Mikro-ÖV-Lösungen soll der Zugang zum öffentlichen Verkehr ermöglicht wer- den – er hat eine Zubringerfunktion. Es ist wichtig, hier vor allem die nachhaltige Mobilität zu stärken und eine CO 2 -neutrale Anbindung an das höherrangige Verkehrs- netz zu fördern sowie dieses, wenn möglich, auch in die Fahrpläne zu integrieren. In diesem Zusammenhang soll es Förderungen für Verkehrsmittel wie Fahrräder, Elektro- fahrräder, Elektrobusse oder Anruf-Sammel-Taxis geben. Eine bessere Radinfrastruktur ist ein zentraler Punkt. Das Fahrrad erweitert das Einzugsgebiet des ÖV und ist eine der Lösungen der Last-Mile-Problematik.“ Julia Herr, Klimaschutzsprecherin SPÖ Es fehlt der große Wurf „Prinzipiell gibt es einige Ver- besserungen. Lobend muss man das Klimaneutralitätsziel 2040 erwähnen sowie das Bekenntnis zum Bahnausbau. Es fehlt jedoch noch der große Wurf, der die Emissionen merklich sinken lassen wird: Die Ökologisierung des Steuersystems fehlt und kommt erst 2022, wie auch die Abschaf- fung der umweltschädlichen Subventionen. Es fehlt auch noch gänzlich ein Klimagesetz bzw. ein Climate Governance System, welches Zielpfade und Verantwortlichkeiten für die Emissionsreduktionen definiert, sowie auch Mechanismen bei Nichteinhaltung. Ohne ein derartiges Klimatransparenz- gesetz können wir uns die besten Ziele setzen, können sie aber unmöglich erreichen. Beim Ausbau des ÖPNV werden eine Reihe von Maßnahmen notwendig sein: Es wird natür- lich Investitionen in Infrastruktur und Angebot erfordern,

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