public 7-8/2020
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GEMEINDEN IMREGIERUNGSPROGRAMM
desländer oder andere Fördertöpfe) durch die Finger schauen, und hält fest: „Wir brauchen einen Rettungsschirm für Gemeinden von 250 Euro pro Ge- meindebürger/in. Das wäre einfach und gerecht.“ Einfach und gerecht sind zwei eher traurige Schlagworte, wenn es um das tatsächliche Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden geht. Die ewig aktuelle Forderung der kommunalen Interes- senvertretungen nach „Miteinbezie- hung auf Augenhöhe“ bleibt auch unter Türkis-Grün aktuell. Am2. Jänner 2020 hatte die damals neue Bundesregie- rung ihr über 300 Seiten umfassendes Programm „Aus Verantwortung für Ös- terreich“ für die Periode 2020 bis 2024 präsentiert. Zuvor war die neue Kurz- Konstellation auch mit kommunalen Tipps versorgt worden. Auch vom Österreichischen Städtebund, der 256 Städte und größere Gemeinden vertritt und knapp zwei Wochen nach der Nati- onalratswahl den „Neuen“ seine Forde- rungen präsentierte. DIE WICHTIGSTEN FORDERUNGEN. Drei Punkte wurden darin fett ge- schrieben und unterstrichen. Die aus- reichende Mittelausstattung und ein gesteigertes Kostenbewusstsein seitens
des Bundes, vor allem in Bezug auf Aus- wirkungen auf die kommunale Ebene, war einer dieser Punkte. Die Aufforde- rung an den Bund, seine Aufgabe der gesamtstaatlichen Koordination im Zusammenhang mit Klimaschutz und Energiewende wahrzunehmen und ein Miteinander aller staatsrelevanten Institutionen zu fördern, ein weiterer. Die wichtigste Forderung war aber eine andere. Weil sie das bestehende System so knapp wie treffend umreißt, verdient sie es, in voller Länge zitiert zu werden: „Städte und Gemeinden sind wichtige und nicht wegzudenkende Akteurinnen der Verwaltung sowie des politischen Systems. Die Auswirkungen sowohl positiver als auch negativer politischer Entscheidungen sowie politischerUntä- tigkeit werden zu allererst vor Ort spür- bar undmüssen auf kommunaler Ebene bewältigt werden. Österreichs Städte und Gemeinden müssen daher – ent- sprechend ihrer Relevanz – bei sämtli- chen grundsätzlichen und strategischen Entscheidungen des Bundes als ernst- hafte und gleichberechtigte Partnerin- nen von Anfang an miteinbezogen wer- den.“ Zum Leidwesen der Kommunen hat die türkis-grüne Bundesregierung in dieser Einbindung keine Notwendigkeit gesehen. Wieder gingen die kleinsten
Gebietskörperschaften, was ihr insti- tutionelles Stimmgewicht anlangt, leer aus. Ändert sich nichts Grundlegendes, so wird die Bundesregierung auch in dieser Legislaturperiode keinen jähr- lichen, umfassenden Bericht über die Lage der Städte und Gemeinden vorle- gen, wie das beispielsweise in Deutsch- land der Fall ist. Und die Präsidentendes Städte- und Gemeindebundes erhalten auch nicht die Möglichkeit, zu diesem Bericht im Nationalrat Stellung bezie- hen zu können – weil es diesen Bericht ja nicht geben wird. FINANZAUSGLEICH. Das ist schade, wenn nicht sogar schäbig, ist doch fast jede zweite Zielsetzung oder Maß- nahme des aktuellen Regierungspro- gramms für Gemeinden und Städte nicht zuletzt im Hinblick auf finanz- ausgleichsrechtliche Fragen höchst re- levant. Apropos Finanzausgleich. Dazu bekennt sich die Bundesregierung er- wartungsgemäß und doch haben die Experten des Gemeindebundes auch in diesem Regierungsprogramm einige immer wiederkehrende Überlegungen der Bundesebene entdecken müssen, die Gemeindeautonomie zu beschnei- den oder Kofinanzierungen des Bun- des zu hinterfragen – wie etwa mit der
Mitsprache absichern Alfred Riedl, Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, entdeckt im Regierungsprogramm die Handschrift der Gemeinden und warnt davor, Kompetenzen von Gemeinden auf Bundesstellen zu übertragen. INTERVIEW: ALEXANDRA KELLER
INTERVIEW
Matern
mit Alfred Riedl
Präsident des Österreichischen Gemeindebundes
public: Was muss Ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit den organisatorischen Schnittstellen zwischen den Gebietskörper- schaften unternommen werden, damit die Gemeinden schon in der Planung jene Rolle bekommen, die sie in der Umsetzung einnehmen? Alfred Riedl: Vor und nach der Nationalratswahl hat der Gemein- debund den Parlamentsparteien ein umfangreiches Forderungspapier mit den Schwerpunkten und Anliegen
der Gemeinden vorgelegt. Bei den anschließenden Regierungsverhand- lungen haben die Parteien immer wie- der unsere Expertise eingeholt. Nun können wir mit Stolz festhalten: Das türkis-grüne Regierungsprogramm trägt eindeutig die Handschrift der Gemeinden! Die Bundesregierung weiß, dass sie nur mit den Gemeinden Politik machen kann, denn wir sind die Umsetzer, die Transformatoren vor Ort, die mit den Menschen tag- täglich in Kontakt stehen. Das haben
wir besonders in der Corona-Krise gemerkt! Wichtig ist uns deswegen, dass wir als Gemeindebund und besonders als Bürgermeister bei vielen Themen gehört und ernst genommen wer- den. Um aber auch die Mitsprache sozusagen institutionell abzusichern, ist es jetzt auch an der Zeit, die im Regierungsprogramm aufgenom-
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