public 7-8/2020
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ohne vollständige Abgeltung seitens der gesetzgebenden Ebenen Bund und Länder. Was der Gemeindebund in der neuen, türkis-grünen Skizze dieses Dreiecks als positiv beschreibt, ist das Regie- rungs-Versprechen, die Vertragsfähig- keit der Gemeinden imZusammenhang mit jenen 15a B-VG-Vereinbarungen, die gemeinderelevante Regelungen treffen, prüfen zu wollen. Und positiv ist zudem, dass der langjährigen For- derung nach einer Abschaffung der Umsatzsteuerpflicht bei Gemeindeko- operationen entsprochen werden soll. GROSSE BROCKEN STEHEN AN. Die über 300 türkis-grünen Seiten sind für Anhänger des Konkreten nicht leicht zu lesen. Was den Experten des Städ- tebundes bei der Lektüre positiv auf- gefallen ist, ist das Kapitel Kunst und Kultur. Trotzdem ausgerechnet „die Kultur“ mit Ex-Staatssekretärin Ulrike Lunacek das erste Corona-Opfer in der Bundesregierung forderte, müssen es die Grünen gewesen sein, die diesem Bereich die Wichtigkeit zuerkannten, die ihm gebührt. „Generell ist das Kapi- tel imVergleich zu vergangenen Koaliti- onsabkommen relativ ausführlich und enthält einige konkrete Maßnahmen. Nach allgemein gehaltenen Bekennt- nissen findet sich die Unterstützung der Kulturhauptstadt 2024 – dies wird ausdrücklich begrüßt“, heißt es in der Programm-Analyse des Städtebundes, wo auch das Bekenntnis zur zeitgenös- sischen Kunst willkommen geheißen wird – war dies im volkstümlicher ge- haltenen Koalitionsabkommen 2017 doch vermisst worden. „Entscheidend wird sein, ob das Kulturbudget des Bundes, das derzeit nur 0,6 Prozent des BIP beträgt, aufgestockt wird. Da- von ist im Koalitionsabkommen keine Rede, es betrifft aber sehr wesentlich auch Länder, Städte und Gemeinden, die die mangelnde Finanzierung des Bundes ausgleichen müssen“, so der Städtebund, der zahlreiche offene Fi- nanzierungsfragen kritisiert. So auch die Abwicklung und Finanzierung der so wohlklingenden, von der Regierung
MIT THOMAS WENINGER GENERALSEKRETÄR DES ÖSTERREICHISCHEN STÄDTEBUNDES INTERVIEW
Markus Wache
Besonders ärgerlich
Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes, pocht im public -Interview auch darauf, dass die Bundesregierung die Regelungen per Initiativantrag auf das absolut nötige Maß eingrenzt. INTERVIEW: ALEXANDRA KELLER
public: Was dürfen/müssen die österreichischen Städte allgemein von der Bundesregierung erwar- ten – was könnte Ihrer Einschät- zung nach besser, was schlechter werden? Thomas Weninger: Die finanziellen Auswirkungen der Covid-19-Krise stellen die Gemeinden vor noch nie da gewesene Herausforderungen. Das angekündigte Investitionspaket ist ein guter erster Schritt. Eine zweite Gemeindemilliarde ist im Hinblick auf die drastischen Einbrüche bei den Ertragsanteilen und zusätzlich bei Kommunalsteuer und Tourismus- abgaben zur Finanzierung des lau- fenden Betriebs aber unverzichtbar. Deutschland hat hier mit der Kom- pensation der Gewerbesteuerausfälle der Gemeinden den Weg vorgezeigt. Welche Forderungen stellen die Städte im Zusammenhang mit den finanziellen Großbrocken Pflegefi- nanzierung, Kinderbetreuung und ÖPNV an die Bundesregierung? Die drei angesprochenen Bereiche sind klassische Beispiele dafür, dass der Bund neue, durchaus zu begrüßende, Initiativen setzt, die Deckung von Mehrkosten aber nicht gänzlich geklärt ist – 24h-Pflege, verpflichtender ganz- tägiger Kindergarten, 1-2-3-Ticket etc.
In der „heißen“ Corona-Zeit hat der Bund hauptsächlich mit den Ländern verhandelt und erst spät auch die Gemeinden bzw. Städte einbezogen. Wie kann eine Wiederholung dieser Ungleich- behandlung verhindert werden? Gerne wird übersehen, dass die Kommunen auch bei allen steuerli- chen Maßnahmen, die der Bund als seine Leistung verkauft, mitzahlen. Wenn also etwa nun umfangreiche Steuersenkungen im Raum stehen, werden die Städte und Gemeinden einen erheblichen Anteil davon mitzutragen haben. Ebenso werden oft neue Leis- tungen verkündet, deren Kosten dann bei Städten und Gemeinden hängen bleiben. Insofern ist es besonders ärgerlich, wenn der Bund im überschießenden Ausmaß dazu übergeht, neue Regelungen nur mehr per Initiativantrag ein- zubringen und somit das übliche Begutachtungsverfahren umgeht. Es gilt diese Praxis auf das absolut nötige Maß – also wirklich zeitlich nicht anders umsetzbare Punkte – einzugrenzen. Darüber hinaus besteht die lang- jährige Forderung, Kommunen zu echten Vertragspartnern bei den 15a-Vereinbarungen zu machen.
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