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Ist die Gemeindeautonomie ein schönes Märchen?

Die Spielarten, mit denen Bund und Länder die Gemeindeautonomie attackieren und aushöhlen, sind so zahlreich wie hinterhältig. Zwischen 1999 uns 2018 hat sich unter diesem Dauerfeuer der Überschuss der laufenden Geba- rung für die Gemeinden fast halbiert. Und die Erosion geht weiter. VON ALEXANDRA KELLER Es war einmal ...

Elena Schweitzer – stock.adobe.com

D ie Gemeindeautonomie war und ist ein schönes Märchen.“ Nüchterner kann eine Analyse zur lokalen Selbstverwaltung kaum ausfallen. Martin Stieger, Rechts-, Po- litik-, Sozial- und Wirtschaftswissen- schaftler sowie ehemaliger Vizebür- germeister der Stadt Wels, hatte damit 2012, im Rahmen der IKW-Schrift zum Thema „Wahrung und Stärkung der Gemeindeautonomie“, recht brutal ins Schwarze getroffen. Oder eben den Finger auf eine Wunde gelegt, die par- tout nicht heilen will und den Kommu- nen Österreichs chronische Schmer- zen bereitet. 2012 hatte sich zum 50. Mal das Inkrafttreten der Gemeinde- verfassungs-Novelle 1962 gejährt und war so gefeiert worden, als wäre die mit ihr begründete Autonomie der

österreichischen Gemeinden wirklich der Grundpfeiler der Verfassung, als der sie gerne beschworen wird. Für einen traditionellen Jubiläums-Tusch der kollektiven kommunalen Blasmu- sik fehlte schon damals die Luft. In der komplexen Macht-Matrix Öster- reichs sind Finanzen neben den auto- nomen Entscheidungsspielräumen die wichtigsten Stützen der Gemeindeau- tonomie. Sie gehören zusammen wie siamesische Zwillinge und an beiden wird unablässig gesägt. Vor allem die Sägewerke der Länder haben hier – trotzdem ein Großteil ihrer höchst rea- len Macht nicht in der Verfassung ver- ankert ist – verheerende Wirkungen. Vor dem Hintergrund hatte Friedrich Klug, Leiter des Institutes für Kom-

DIE GEMEINDEAUTONO- MIE WAR UND IST EIN SCHÖNES MÄRCHEN. Prof. Dr. Dr. Martin Stieger, Rechts-, Politik-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler

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